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Gelb

Auszeit, mit der Fähre von Wesseling auf die andere Rheinseite. November, das Stampfen gegen die Strömung, Möwen schaukeln, das Metall der Anlegebrücke schleift über die Betonrampe, ein Windstoß schüttet eine Wolke von Gelb auf den Deich. Der Pappelwald, eine Kulisse von der linken Rheinseite und ich verschwinde im Gelb.

Gelb in allen Variationen. Goldgelb, hier und dort ein Spritzer Zitron, Goldocker mit dunklen Flecken gesprenkelt, Bernstein und Cognac, sie bilden einen Tunnel, meine Schritte auf dem Grund werfen Laub. Es ist ein Licht armer Sonntag und das müde Gold macht mich trüb, mein sonst eher federnder Gang belädt sich mit jedem Schritt mit dem Gewicht meines Körpers. Farbtherapie, denke ich, ich muss nach der Rückkehr schauen, ob Gelb dort eine bestimmte Anwendung findet und werde dann lesen:
Gelb – Weisheit, aktiviert den Geist, hilft bei Müdigkeit und düsterem Gemüt.

Okay; aber was heißt schon Gelb? Wenn ich im Frühjahr an einem Rapsfeld vorbeigehe, dann schlägt mir diese Massierung von kaltem Gelb voll auf den Solarplexus. Das ist geradezu psychogen: der Gaumen wird trocken, Nervosität, Fahrigkeit steigen auf und ich sehe zu, dass eiligst ich aus dem Strahlungsfeld herauskomme. Das trübe Goldgelb sediert, meine Schritte schlurfen, werfen Blätter hoch, mein Blick hat sich im Tunnel zu Boden gesenkt und präsentiert mir einen Endlosfilm von Blättern. Blätter der ewig gleichen, Herz artigen Form, mal überlappt, mal auf dem Kopf, mal auf dem Bauch. Ich halte mich an die Stiele, Linien geben Formen, Zeichen, Botschaften.

Zum Deichaufstieg wachsende Helligkeit – Eschen. Gestern waren sie noch voll belaubt, aber mit dem ersten Frost werfen sie ihr gesamtes Laub ab, ein Meer wie von verloren gegangener Silage. Auf dem Deich Offenheit, der Blick geht über die Felder zur Wahner Heide, dann weiter südlich zu den Zacken des Siebengebirges. Sie sind weit genug entfernt. Man sieht es zweidimensional, keine Hügel, keine Täler, blaugraue Zacken gegen den Horizont und eine Melodie, die mir seit meiner Kindheit als Jingle einer täglichen Radiosendung vertraut ist, formt sich. Ihren Namen kenne ich, seitdem ich beim Malen angefangen habe statt Magazinen Klassikforen zu hören: Schumanns rheinische Symphonie, sie ist mir zum Mitsummen vertraut und das öffnet sich nach romantischem Rhein und Siebengebirge hinunter in die Ebene. Offenheit, meine Arme strecken sich in die Weite, meine Bilder müssen leerer werden.

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